Delacroix hatte die englische Literatur studiert; ihr berühmtester Vertreter ist William Shakeapeare. In seinem Stück „Antonius und Kleopatra“ möchte sich Kleopatra nach der Ermordung von Marcus Antonius lieber selbst töten als von Octavius Ceasar erobert zu werden. Auf dieser Szene beruht Delacroix‘ Bild. Es ist ganz offensichtlich, dass sich Kleopatra in einem düsteren Zustand befindet. Warum ruft die Schlange jedoch ein Gefühl für drohende Gefahren und den Tod hervor? Schlangen wurden seit Tausenden von Jahren als Symbol für den Tod benutzt, sogar schon bei den alten Griechen (Moyes). Im Rahmen dieser Szene aus Shakespeares Stück verkündet Kleopatra, sie würde lieber sterben als gefangen genommen zu werden. Dies zeigt, dass sie ihre Furcht vor dem Tod verloren und ihn akzeptiert hatte, als sie die Schlange sah. Tatsächlich tötet sich Kleopatra in dem Theaterstück und in der historischen Überlieferung durch einen Schlangenbiss. Darüber hinaus waren Schlangen immer ein historisches Symbol des Bösen; das Hauptbeispiel ist die Schlange, die Eva dazu überredete, den Apfel aus dem Garten Eden zu essen. Irgendwie erinnert diese an die Szene in Delacroix‘ Gemälde. In der christlichen Theologie sind Feigenbäume ein Symbol für Gottes Liebe für seinen Segen und seine besondere Liebe für den Menschen (Gleichnis vom Feigenbaum ohne Früchte). Zwar war Kleopatra keine Christin, doch wurde die Szene Mitte des 19. Jahrhunderts in Frankreich gemalt, einem historisch gesehen sehr christlichen Land. Kleopatra möchte sich selbst töten, aber in der christlichen Theologie ist dies eine Sünde. Die Anwesenheit der Schlange symbolisiert das Böse oder den Tod des Menschen, wenn es um Gottes Segen (die Feigen) geht. Delacroix kannte das Publikum, für das er malte; vielleicht wollte er christliche Symbole einbeziehen.




Kleopatra und der Bauer
Öl auf Leinwand • 98 x 123 cm