Vor ein paar Wochen habe ich gezeigt, wie Muybridge seine Kamera benutzte, um Bewegung zu dekonstruieren. Er dekonstruierte Bewegung in Stillstand und bewies, dass ein Pferd einen Moment lang über dem Boden schweben kann. Dies war ein wissenschaftlicher Durchbruch, wie auch viele andere Fotografien jener Zeit. Zu diesem Zeitpunkt hatte Rudolf Koppitz 1902 gerade seine Karriere als Fotograf begonnen - neue Wege wurden gesucht, die unter einem neuen Namen bekannt wurden: Sezession.
Rudolf Koppitz wurde 1884 in der Nähe von Freudental, Ober- und Niederschlesien (heute Skrbovice in der Tschechischen Republik) geboren. Schon früh interessierte er sich für die Fotografie und wurde nach einem Studium zunächst Lehrling und dann im Alter von 17 Jahren anerkannter Berufsfotograf. 1908 begann Koppitz, seine eigenen Fotografien zu machen, wobei er eher traditionelle Bilder mit traditionellen Motiven aufnahm. Seine Karriere wurde unterbrochen, als er zum Ersten Weltkrieg eingezogen und zum "Meisterassistenten für Feldfotografie" ernannt wurde. Er wurde beauftragt, Luftaufnahmen von der Kriegsfront im Osten zu machen, und schuf scharfe, geometrische, fast romantische Bilder, die ihn deutlich von anderen Fotografen unterschieden.
Das heute gezeigte Foto stammt aus seiner nächsten Periode. Es entstammt aus einer Serie, die sich mit der menschlichen Form und Bewegung beschäftigt, Bewegungsstudie Nr. 1. Es zeigt eine neue Form und dekonstruiert nicht mehr die Bewegung, sondern erzeugt Rhythmus und Muster; es ist fast ein Versuch, Stille in Bewegung zu verwandeln. Die drei Damen im Hintergrund zeigen nur ihre Köpfe und Füße und bilden eine Links-Kurve-Rechts-Bewegung. Ihre Körper sind zu einem schwarzen Hintergrund für die nackte Dame im Vordergrund geworden, die Blickrichtung geht nach unten, während die Form ihrer Füße eine ballettartige Bewegung nach links andeutet. Sie scheinen die nackte Dame zu kontrastieren und zu ergänzen, die sich beugt und losgelöst in die andere Richtung schaut. Ihre Nacktheit und Bewegung steht in völligem Kontrast zu den Damen im Hintergrund.
Als Anhänger des Naturismus suchte Koppitz die Natur und körperliche Bewegung. Wir sehen die Anspannung ihrer Muskeln und ihren rechten Arm, der sich im Kontrast leicht nach oben bewegt, was die Linie der Damen im Hintergrund noch verstärkt. Ihr Haar hängt lose herab und bildet einen weiteren Kontrast zu den Frauen im Hintergrund.
Das ästhetische Vokabular von Koppitz wurde von den austrofaschistischen Machthabern und den Anhängern des Nationalsozialismus übernommen. Wir wissen allerdings nicht, was er dachte, denn er starb zwei Jahre vor dem Anschluss. Seine Frau Anna hat jedoch ihr eigenes Werk und einige Arbeiten ihres Mannes mit den Zielen des Nationalsozialismus in Verbindung gebracht und damit dem Namen ihres Mannes geschadet. Da es keine Beweise für seine Meinung gibt, können wir uns mit der Maxime der Unschuldsvermutung begnügen. Er schuf ganz besondere, künstlerische und ästhetische Fotos.
- Erik