Heute möchte ich an die Leiden und das Elend der chinesischen Sklaven in San Francisco erinnern, die tatsächlich eher Prostituierte waren. Nach dem Taiping-Aufstand (20 Millionen Tote zwischen 1850 und 1864) erschien jegliche Veränderung als eine Verbesserung. Junge Mädchen, die die frühen Teenagerjahre erreichten, wurden gefangen und für rund 500 Dollar verkauft. Die Preise waren höher, wenn die Mädchen besonders hübsch waren. Häufig wurden ihnen große Mengen von Opium verabreicht, um sie ruhig und abhängig zu halten. Sie lebten in kleinen Schlafzellen auf der Straße, Krippen genannt, die nichts weiter waren als schmutzige Bordelle. Wenn ein interessierte Mann vor der Krippe stehenblieb, entblößte die Prostituierte ihren Oberkörper und schmeichelte ihm mit verführerischen Ausrufen und Bewegungen: „Chinamädchen lieb! Sie reinkommen bitte?“ Die Ausrufe wurden ausgeschmückt mit etwas direkteren Angeboten ihrer Waren, einer kompletten Liste der Preise und Dienstleistungen. Bis indie späten Nachtstunden konnte man die Stimmen der chinesischen Krippenmädchen in einem schrillen und monotonen Singsang rufen hören: “Two bittee lookee, flo bittee feelee, six bittee doee!” („Schauen für zwei, Fühlen für vier, Tun für sechs“). Da man von ihnen erwartete, mit zehn bis zwanzig Männern am Tag Sex zu haben, war ihre Zukunft trostlos und kurz. Viele von den Prostituierten steckten sich mit Syphilis an, eine Krankheit, die Körper und Geist befällt und mit einem schmerzhaften Tod endet. Bevor es soweit kam wurden sie von manchen Besitzern in ein geschlossenes Haus gebracht, man gab ihnen jede Menge Opium und erwartete, dass sie damit Selbstmord begingen. Oder, wenn sie dies nicht selbst tun konnten, wurden sie getötet. Von dem Moment, in dem sie in Sklaverei verbracht wurden betrug ihre Lebenserwartung etwa 5 Jahre – Sklaven, Ware, die gekauft und verkauft wurde. Nicht viele Leute kümmerte das, aber in San Francisco führten Frauen wie Donaldina einen Kreuzzug gegen Prostitution, dem nur wenige zu folgen wagten.
Es gibt nicht sehr viele Photographien dieser Krippen, aber Theodore Marceau (1859-1922) hat mindestens diese eine angefertigt. Er war der Besitzer einer der ersten nationalen Studio-Ketten in den USA. Mit der Anfertigung von Studio-Porträts wurde er sehr reich. Das genaue Datum dieser Aufnahme ist unbekannt, es liegt vermutlich in den späten 1880ern. Zu der Zeit arbeitete Theodore bereits nicht mehr als Studio-Photograph. Ich konnte nur eine wenige weitere Außen-Photographien finden, anscheinend waren die nicht nur insgesamt selten, sondern auch von ihm selten. Das Wort „bagnio“ in der Photographie bedeutet „Badehaus“, was in San Francisco gewöhnlich für „Bordell“ stand.
- Erik Appeldoorn