Jean-Léon Gérôme (1824-1904) war ein bekannter französischer Künstler, der während des 19. Jahrhunderts besonders durch seinen unkonventionellen akademischen Stil bekannt war. Gérôme war entgegen der damaligen Bewegungsrichtung des Impressionismuses von dem klassisch ornamentreichen, traditionellen, akademischen Stil überzeugt. Obwohl er ein großer Unterstützer dessen war, ist Gérômes Stil klar unorthodox. Er dramatisiert seine Gemälde mit umfangreichen, historischen Szenen und erzählt damit Geschichten. Diogenes zeigt den zynischen Philosophen in einer Szenerie, die wahrlich versucht, die Persönlichkeit des Philosophen einzufangen.
Diogenes war einer der Gründer der Zyniker-Schule, einer Philosophen-Schule im antiken Griechenland. Diese lehnte die soziale Autorität und Normen ab. Ihr Ziel war es, die Öffentlichkeit, welche ihrer Meinung nach von der Obrigkeit, dem Besitz und der Lust hypontisiert war, wieder zu ihrer natürlichen Existenz zurückzuführen. Diogenes vertrat diese Einstellung in seinem ganzen Leben und lebte auch nach diesen Normen. Er war dafür bekannt, prominente Persönlichkeiten der damaligen Zeit herauszufordern (so unterbrach er beispielsweise Plato in seinen Vorlesungen oder verspottete Alexander den Großen ins Gesicht).
Die verschiedenen Themen und Symbole des Gemäldes fassen das Leben Diogenes sehr gut zusammen. Diogenes lebte auf der Straße und (wie oft aufgezeichnet) hauste in Behältern, die sonst zur Lagerung von Nahrungsmitteln dienten. Dies war ein Beispiel für den Lebensstil und seine damit verbundene Philosophie - frei von Besitz und eine Hinwendung zum natürlichen Leben. Die Hunde auf diesem Bild stehen stellvertretend für seine Überzeugung, wie Tiere zu leben, da diese eine reine und stoische Einstellung dem Leben gegenüber an den Tag legen. Die Leuchte, die Diogenes hier hält, ist Teil einer Erzählung, in der dieser nachts durch die Straßen wanderte, auf der Suche nach einem ehrlichen Mann. Jedem passierenden Menschen hielt er dabei seine Laterne in das Gesicht, um diesen dabei zu finden. Alle Elemente und der Symbolismus geben eine holistische Repräsentation des Philosophen wieder und vermitteln dem Beobachter das Gefühl, einen kleinen Einblick in das Leben des exzentrischen griechischen Zynikers zu bekommen.
- Alexander Smith