Über El Greco wurde einst gesagt, er habe mit einem Splitter eines hölzernen Kreuzes gemalt, ohne Korrekturen vorzunehmen, sodass „jeder Farbauftrag Gottes Willen entspricht“. Auch wenn diese Geschichte nicht den Tatsachen entspricht, fasst sie doch das Wesen seines Werks zusammen: fiebrige Visionen, die scheinbar spontan aus locker definierten, impulsiven Formen entstehen, berührt von einer mystischen Kraft. Doch nicht göttliche Eingebung, sondern der tiefe Glaube des Künstlers und sein außergewöhnliches Talent schufen eine neue Einheit, die die beiden großen Maltraditionen des Christentums miteinander verbindet.
Domenikos Theotokopoulos, geboren auf Kreta, war bereits ein Meister der traditionellen Ikonenmalerei, bevor ihn die modernen westlichen Stile von Tizian und Tintoretto in ihren Bann zogen. Trotz seiner Reisen nach Venedig, Rom und schließlich Spanien blieb er im Geiste stets „El Greco“ – „der Grieche“.
In seiner Darstellung der Maria Magdalena, einer ehemaligen Sünderin, die sich zur treuen Anhängerin Jesu wandelte, fängt El Greco den Moment ihrer spirituellen Ekstase ein. Ganz im Sinne Tizians verdichtet er ihre Verwandlung zu einem einzigen Augenblick der Offenbarung. Doch während Tizian die Szene mit erotischen Anklängen versah, ist El Grecos Darstellung transzendenter: Ein blendender Lichtstrahl reinigt Maria Magdalena und hebt sie beinahe über die Grenzen des Physischen hinaus. Der Totenschädel, Symbol der Vergänglichkeit, ist ihrer Hand entglitten, während sich Efeu, ein Sinnbild für das ewige Leben, himmelwärts rankt. Die kühlen, blassen Töne der Morgendämmerung spiegeln die spirituelle Katharsis wider, die aus ihrem Moment göttlicher Verbindung strömt, und schaffen eine Atmosphäre, die sowohl entrückt als auch tief introspektiv ist.
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PPS: Wusstest du, dass Maria Magdalena sehr ... behaart war? Hier erfährst du, warum!